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Mittwoch, 25. Juli 2018

Nein zu Drogen, oder wie war das?

Demi Lovato ist gestern in ein Krankenhaus eingeliefert worden, wegen einer Überdosis. Für alle, welche nicht wissen, wer sie ist: Sie ist eine amerikanische Sängerin, sehr gut und ebenso erfolgreich auf ihrem Metier. Schon sehr jung, war sie auf den Brettern die die Welt bedeuten und hat sicher eine andere Jugend gehabt im Licht der Öffentlichkeit, als unsereins, der Scheiße bauen durfte, ohne dabei die ganze Zeit eine Kamera im Gesicht zu haben. Klar kann man jetzt sagen, sie hätte sich das ausgesucht, aber hat sie das wirklich? Ihr Job ist es, Menschen zu unterhalten, mit ihrer Stimme, ihren Shows, aber nicht wirklich Teil des Jobs ist es, ihr Privatleben öffentlich machen zu müssen, weil die Konsumgeile Gesellschaft gerne auf das Leben der Reichen und Berühmten schaut und sich daran ergötzt, wenn sie brechen, stolpern und ein ebenso fulminantes Comeback feiern. Wir brauchen es, zu sehen, dass es anderen auch schlecht geht, um uns selbst zu fühlen. Und es ist befriedigender wenn es die trifft, die doch vermeintlich alles haben.
Diesem Druck standzuhalten, ständig für andere als Vorbild, oder Feindbild zu gelten, ist nicht jeder Mensch gewachsen. Muss er auch nicht, denn schwach zu sein, Unzulänglichkeiten zu haben, ist einfach in der Natur des Menschen. Wir bewerten Job, Familie, Gewicht, Geld, Aussehen, Humor, eigentlich alles an anderen. Manchmal nehmen wir es als Motor, weil wir selbst etwas verändern wollen, manchmal als Beruhigungsmittel, dass es doch gar nicht so scheiße läuft für uns. Gibt ja andere, denen es viel schlechter geht.
Whitney Houston, Robin Williams, Amy Winehouse, Michael Jackson. Marylin Monroe, Prince, George Michael. Alles Menschen, die auf ihrem Kunstgebiet Meisterleistungen vollbracht haben und doch das ein oder andere Mal am Leben zerbrochen sind.

Demi Lovato war schon krank, lange bevor sie es wusste. Sie litt unter manischen Depressionen und einer Bi-polaren Störung. Diese Menschen haben oft ein sehr erhöhtes Risiko zu Drogen zu greifen. Oft finden sie Trost darin, weil es sie betäubt und sie die Auswirkungen ihrer Krankheit so nicht spüren müssen. Da wissen sie aber eben auch nicht, warum sie sich eigentlich selbst ruhig stellen. Viele erfahren es erst, wenn sie Therapien machen um aus diesem Sog heraus zu kommen. Dazu müssen sie aber zum einen das richtige Umfeld, die perfekte Behandlung und viel wichtiger selbst erkennen, dass es etwas im argen liegt. Nun kann man arrogant sagen, nun ja, wenn man sechs Jahre clean war (so wie Demi) muss man ja dann auch mal den inneren Schweinehund zusammen halten. Achso, na wenn das so einfach ist, wieso gibt es dann überhaupt Suchtkranke?
Ganz einfach. Es ist nicht so einfach, als würde ich bestimmen, in meiner Ernährung in Zukunft Zucker weg zu lassen. Denn das mache ich freiwillig. Ich kann jederzeit beschließen, ihn wieder zu essen, oder partiell Vegan zu leben, nur mal um zu testen, wie es ist. Ein Suchtkranker lebt immer mit dem Wort "Niemals"! Niemals wieder betäuben auf diese Art, niemals Angehörige enttäuschen, Niemals wieder schwach werden. Viel verlangt.
Rückfälle gehören dazu, vor allem wenn man ein normales Verhalten vollkommen umlernen muss.

Opiate waren früher völlig normal. Kaiserin Elisabeth (ja, unser aller Sisi) hatte im Reisegepäck immer eine Kokaspritze dabei, welche ihr vom Arzt gegen "Schwermütigkeit" verschrieben wurde.
Lange bevor es Studien darüber gab.

Und nun der eigentliche Witz:

An Alkohol und seinen Folgeerscheinungen sterben jedes Jahr in Deutschland die meisten Menschen, trotz allem sieht man überall Werbung, die uns ein leichtes Lebensgefühl vermittelt. Wir wollen nicht das unsere Kinder nackte Brüste sehen im Fernsehen und keine Schimpfwörter benutzen, aber wenn sie das Rum- Lebensgefühl vermittelt bekommen, singen wir alle noch laut den Werbe - Song mit.
Wir fragen Menschen auf Parties dreimal, ob sie WIRKLICH nichts trinken wollen, obwohl sie schon nein gesagt haben, wir haben Sprichwörter wie: "Kinder und Betrunkene sagen immer die Wahrheit.", um dem ganzen noch einen gewissen Humor zu geben. Und hey, da zeigen wir auch nicht mit dem Finger auf jemanden, der uns erklärt das er trockener Alkoholiker ist. Denn wir bewundern seinen Mut und die Courage es laut zu sagen.

Aber wenn jemand sagt das er ein wirklich psychisches Problem hat und der Alkohol eigentlich nur ein Ventil war (so wie die anderen Drogen eben auch) fragen wir nicht weiter nach. Das ist dann zu tief, weil es mehr war, als wir wissen wollten, als wir gefragt haben, wie es ihm geht.

Jeder kennt jemanden mit Burn-Out. Psychische Volkskrankheit Nummer EINS in unserer Leistungsfähigen Gesellschaft, die an ihren eigenen Anforderungen zerbricht. Das hat uns aber selten ermutigt, wirklich zu hinterfragen, warum es diesem Menschen so geht. Wir haben uns deshalb nicht hingesetzt und versucht zu verstehen, was in einem Menschen vorgeht, der glaubt an seinem Leben zu zerbrechen.

Wir haben ja soviel zu tun...

...wenn wir das Leben der anderen bewerten!

Samstag, 14. Juli 2018

Mama

Du siehst mich mit Deinen großen blau- grauen- manchmal grünen Augen an und ich sehe ein Lächeln. Ich bin mir nicht sicher, dass es wirklich da ist. Ich drücke Nancy's Hand und will eine Versicherung. Sie drückt zurück. Wir sind uns sicher, dass Du heute einen tollen Tag hattest, immerhin wurdest Du mit dem kompletten Bett hinausgeschoben, in die Sonne, Dein zweites Zuhause und auch in Richtung der Hüpfburg. So sind wir Dir entgegen gelaufen, überrascht, dass es überhaupt möglich ist.

Zeitsprung.

Du hast mir nach meiner Arbeit am Telefon eröffnet, dass Du wirklich schwer krank bist, es zumindest vermutest. Ich saß im Auto von Carolin und wiederholte stumpf Deine Worte: "Ich bin auf der Onkologie.", war es genau und ich sagte es nach, als wäre ich in der Schule und würde neue Worte lernen. Instinktiv nahm Caro meine Hand und drückte sie. Ihr war klar, was es bedeutet, wie gerne wäre ich dumm geblieben. Ich weinte sofort, ich reagiere nämlich sehr auf Berührungen, weil ich irgendwie spüre, wann sie von Herzen kommen. Ich habe sofort zu Ralf gesagt, dass ich dabei sein muss.

Zeitsprung.

Es ist Januar, ein beschissener Januar in Berlin, denn während ich in Stuttgart mit Turnschuhen eingestiegen bin, muss ich in Berlin feststellen. dass ich festklebe, sobald ich aussteige. Ich eile zu Dir, morgen bekommen wir das Ergebnis Du hast eine Bitte: "Egal was morgen gesagt wird, bitte weine nicht!" Oh je, denke ich mir, wie soll ich dass schaffen? Aber ich verspreche es. Ich will der Starke sein, DEIN Zuhause.
Wir irren über die Gänge, sind nervös, machen unangebrachte Witze, etwas wofür ich bis heute Deine Schwester, meine Tante, liebe, denn sie hat ebenso wie ich, begriffen dass unser Leben sehr beschissen sein kann und nur der Humor uns am Ende verbindet. Und ja, ich werde auf sie achten!
Die Ärztin ruft uns ins Zimmer...ich atme schwer, eigentlich kaum hörbar, aber Du spürst es und siehst mich nur an. Ich verstehe den Blick und frage fast kleinlaut, wohin ich mich setzen darf. "Gegenüber", sagt die Ärztin tonlos. Ich sitze, sauge Luft ein, als wäre sie unendlich.
"Leider muss ich ihnen mitteilen....", dann Stille. Ich hasse Stille bis heute, sie macht mich traurig, weil Du in diesen Momenten nicht meine Hand nehmen kannst, um mir zu sagen, dass alles gut wird.
"Es ist das schlimmste eingetreten. Sie haben Krebs."
Ich schaue von Dir auf Deinen Freund, nicht in der Lage zu reagieren. "Wie lange?", frage ich fast mechanisch.
Die Ärztin. auf die Frage vorbereitet sieht mir fest in die Augen und sagt diesen einen Satz: "Das kann man so nicht sagen, aber sie sollte genießen!"
Ich stoße den Stuhl zurück und renne aus dem Raum. Ich erinnere mich an das Versprechen nicht zu weinen. Ich weine vor der Tür, die Hände vor dem Gesicht, kann nicht glauben, dass dies nun mein Leben ist. Wir waren nach allem was wir erlebt haben, Seelenverwandt und nun sollte ich allein sein.

Sie sieht mich fest an, als sie aus dem Zimmer kommt, zündet sich vor der Tür eine Zigarette an und lächelt mich an. Dieses Lächeln, so voller Liebe, mein Heim, dass kann ich nicht mal geschrieben erklären.

"Ruf bitte alle an", sagt sie, mit einer Träne in den Augen, weil sie wusste, was es mit mir macht.

Als erstes rufe ich Ihre Schwester an. Ich sage die Worte: "Sie hat Krebs" und ich höre wie meine Tante ganz leise zerbricht. Als könnte man das Knacken in ihrem Herzen spüren.

Dann der schlimmste Teil: "Oma, ich muss Dir leider mitteilen, dass Mama Krebs hat."

Dieser Ton, dieses Seufzen, diese Trauer ist mein Begleiter, wenn es darum geht, heute mein Leben zu genießen. Ich habe in diesem Moment gelernt was es bedeutet, Erwachsen zu sein.

Wir treffen uns einen Tag später bei Mama, alle da, viele Tränen, viele Ängste, ich trenne mich von meinem Freund am Telefon, ich kann nicht an zwei Plätzen Krieg führen, wir müssen dem Krebs zeigen, dass wir stärker sind, so viel stärker...!!!

Zeitsprung.

"Wollen wir einen Film schauen?", frage ich in den Raum. Sie liegt seit Tagen im kleinen Zimmer auf der Couch. "Klar doch!", sagt sie und alles was mir einfällt ist "Beim Leben meiner Schwester" über ein Kind, was Organspender für seine Krebskranke Schwester ist.
"Ist ja nicht mein Krebs", sagt sie und lacht laut auf. Wie schön sie ist, wie sehr ich sie liebe. Wir schauen den Film, am Ende sitzen wir da, beide unter Tränen und Lachen laut, weil es so typisch ist.
Wir sind so miteinander, dass wir an den selben stellen heulen.

Zeitsprung.

Dein Mann sitzt unten vor dem Krankenhaus und weint auf der Bank- man kann es sofort erkennen, es ist ohne jede Hoffnung. Ich sehe ihm in die Augen und frage ihn, was los ist.
"Sie kommt hier nicht mehr raus, sie kommt nicht mehr nach Hause."
Ich bin versteinert. Er bittet mich, es Dir zu sagen. Ich weiß nicht, wie mir geschieht und stimme zu. Ich habe die Nummer meiner Cousine und Ihres Mannes im Kopf. Ich kann auch hier, heute nicht in Worte fassen, was wir für eine Familie waren, als es darauf ankam.
Ich gehe hoch und nachdem alle weg sind sitze ich in dem Krankenhaus zu dem ich manchmal fahre, nur um mich an Deine Stimme zu erinnern. Ganz leise höre ich Dich Lachen.
Du siehst mich ernst an.
"Mama, Du wirst leider nicht mehr nach Hause kommen.", sage ich zu Dir.
Du bist gefasst, kurz schluckst Du, dann greifst Du meine Hand. Ich bin ebenso gefasst. Bis Du mich fragst: "Willst Du noch etwas sagen? Haben wir etwas offen?"
Ich spüre jede Träne, alles was ich empfinden kann und ganz schnell habe ich Gänsehaut. Ich weine.
"Du darfst jetzt weinen Robert, Du verlierst schließlich Deine Mama."

Diesen Satz werde ich nie vergessen, er ist in meine Seele eingebrannt und Nancy hat geweint, sobald ich es gesagt habe, sie ist auch die einzige, deren Namen ich sage, weil sie mein Leben ist und ich weiß, dass ich ihr OK habe, wenn es um unser ALLER Kapitel geht.

Ich weine ungehemmt. "Es ist wegen dem Alkohol, oder?", fragst Du und ich breche noch mehr zusammen, weil ich leider nicht so gut Lügen kann, wie ich es wollen würde. "Wir haben doch aber eine tolle Zeit gehabt und ich will das Du mir was versprichst."
Du wirst leiser, weil Du die Tragkraft dessen begreifst, was ich Dir eben gesagt habe.
"Mach einen Abschluss, mach etwas aus Deinem Leben."
Während ich das schreibe, weine ich noch mehr, denn Du hast es nie gesehen.

Ich teile Dir sehr stolz mit, denn ich hoffe Du warst dabei:

Ich habe mir den Einzelhandelskaufmann selbst finanziert und mit einer drei schriftlich und einer zwei mündlich bestanden ohne jemals eine Berufsschule gesehen zu haben.

Ich habe danach meinen Ausbilderschein gemacht. Den habe ich mit einer zwei bestanden.

Und ich bin ein Fromelier, also habe ich einen Käsemeisterbrief, womit keiner was anfangen kann, aber ich habe es getan um Dir zu beweisen, was in mir steckt.

Ich war fleißig. Und ich bilde mir ein, dass ich Deine stolzen Rufe gehört habe, für jede Schulveranstaltung die wir verpasst haben, obwohl ich immer die Hauptrolle war und mich besonders bemüht habe, damit meine Eltern stolz auf mich sind.

Zeitsprung.

"Robert, komm bitte sofort ins Krankenhaus." Meine Tante ist Atemlos. Sie hat das Telefon Deines Freundes. Ich frage, ob Oma und Opa informiert sind. "Nein, wir wollten auf Dich warten."
Okay, ich nehme allen Mut zusammen. Ich wähle die Nummer, habe ich ebenso im Kopf, ist auch meine Heimat.
Ich erspare uns die Worte, die grausamen Details. Aber ich werde den Schrei nie vergessen. Wir können nicht ermessen was es bedeutet unser eigenes Kind zu verlieren. Wir können bis es soweit ist, nie ermessen, was es bedeutet zu verlieren. Egal wen. Wir können üben, reden, denken wir wären stark, bis wir schwach zusammenbrechen.
Wir haben Dich geküsst, umarmt, im Sessel neben Dir gesessen, gelacht, noch mehr geweint.

Zeitsprung.

Ich sitze auf der Couch, bin eigentlich nicht in der Lage nur einer Sendung zu folgen. Du wirst die Nacht nicht schaffen.
Nancy und ich haben das nicht erahnt als wir gestern gegangen sind. Ich war sogar feiern, weil ich so glücklich war, dass Du gelacht hast.
Nun sitze ich hier und warte auf den Anruf der mir sagt, dass Du nicht mehr da bist. Du atmest noch, nur in einem anderen Bezirk. Und ich sitze hier und warte auf den EINEN BESCHISSENEN VERFICKTEN ANRUF!!! Wie kann das alles in ein Leben passen?
Ich schlafe ein, mit einem enormen Herzschlag.

2:19

"Herr Pester, ich muss ihnen leider mitteilen, dass ihre Mutter um 2:10 Uhr verstorben ist."

Ich atme ein, dann aus, bedanke mich und lege auf.

Ich mache mir einen Sekt auf, gehe auf den Balkon, stehe mit erhobenen Glas da und sage: "Gute Reise, mein Engel."

Ich lächle, denn jetzt bist Du frei. So frei wie Du im Leben nicht sein konntest.