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Donnerstag, 16. Juni 2016

Warum wir alle Orlando sind!

103 Menschen wurden verletzt, davon 49 tödlich. Es ist eines der größten Indoor- Attentate die die USA bisher erlebt haben. Es war ein Angriff. Dieses Mal jedoch gezielt auf die Homosexuelle Lebensweise.
In den letzten Jahren haben wir Schwulen immer mehr versucht im Mainstream anzukommen, daß wir uns als Gruppe dabei selbst oft zersplittern.
Wir wollen Männer die Hetero- Like sind, wir haben Bären, Transen (nicht zu verwechseln mit den Travestie- Künstlern, denen es eben wichtig ist, als Kunstfiguren wahrgenommen zu werden), wir haben Transgender, von denen viele nicht verstehen, was sie in unserer Community zu suchen hätten, wenn sie im Anschluß doch Hetero leben, es gibt Powerbottoms, Drug- Addicts und many more.
Als schwuler Mann bräuchte man heute schon fast ein Buch um im Wirrwar, der Lifestyle und sexuellen Unterschiede überhaupt noch zu verstehen, was diese Community noch eint.

Mal abgesehen von unserer Gleichgeschlechtlichen Identität ist nicht mehr so viel übrig. Homophobie erwischt nicht mehr alle gleich, weil es immer mehr auf den Ort und die eigene Lebensweise ankommt.
Den Kampf haben andere ausgetragen, wir ernten nur noch, was wir vom Regenbogen haben wollen.
Wir schreien Toleranz und haben uns selbst demontiert, weil viele nicht mehr wissen, wofür wir diese Symbole haben, warum wir demonstrieren sollten, denn zwischen Toleranz und Akzeptanz liegen eben doch noch Welten.

Immer noch ist es mir nicht möglich, wirklich in jeden beliebigen Club zu rennen und einem Mann, insofern ich ihn attraktiv finde, das auch wissen zu lassen. Ich weiß vorher nicht, ob er es als Kompliment sieht und mich höflich aufklärt, daß er Hetero ist, oder ob ich ne Flasche auf den Kopf bekomme und mit Schimpf und Schande über den Hof gejagt werde.
Und das weil viele immer noch nicht begriffen haben, dass meine Sexualität zwar unmittelbar mit mir verbunden ist, mich aber immer noch nicht definiert. Sie sagt nichts darüber aus, ob ich ein guter oder schlechter Mensch bin, ob ich Werte habe und sie lebe. Ob ich höflich und respektvoll bin. Nein, sie ist wirklich nur ein Teil von mir. Ein kleiner noch dazu. Und ich möchte dafür nicht einfach toleriert werden, wie ein Furunkel am Arsch der Menschheit. Sondern ich hätte gerne, daß akzeptiert wird, dass es nichts ist, was ich mir bewusst ausgesucht habe. Das ich als Mensch akzeptiert und gemocht werde. Oder eben auch nicht. Es macht mich ja weder besser noch schlechter.

Aber nun stellen wir uns vor, wir schwulen gehen in diese Clubs. Hier müssen wir uns weder erklären, noch Schämen. Hier brechen unsere eigenen Strukturen auf, weil wir auf einmal mit Menschen in Kontakt treten, die wir in unseren zahlreichen Social Media Websites wegedrückt oder ignoriert hätten, weil sie nicht unserem Suchschema entsprochen hätten. Hier lassen auch wir uns, die Toleranzpolizei, davon überzeugen, dass wir eben jene Leben müssen. Hier können wir vergessen, dass wir uns draußen immer rechtfertigen müssen. Wir vergessen die zahlreichen Sätze die uns insgeheim kränken:

"Ich mag ja eigentlich keine schwulen, aber DU bist ganz anders!" (Schon mal mit nem anderen gesprochen?)

"Ich habe nichts gegen Schwule, solange sie mich nicht anfassen!" (Klar, jeder Hetero Mann und sei er auch noch so hässlich lässt mich automatisch von ihm schwärmen)

"Ich mag das tuntige nicht." (Sucht man sich nicht aus. Hast Du großer, starker Mann denn schon mal versucht, besser auf Heels zu laufen als ne Frau? Nicht? Siehste, würdest Dich genauso verstellen!)

"Im ersten Moment habe ich Dir das garnicht angesehen." (Ich Dir auch nicht, daß Du scheiße bist!)

Und viele mehr. Es ist manchmal ein Stich, weil es von Menschen kommt, von denen wir es nicht erwartet haben. Manchmal ist es auch nur eine freundliche Beleidigung. Es ist fast immer wertend.
Und das verbindet uns. Es ist etwas, was "draußen" keiner versteht, der nicht in unseren Schuhen gelaufen ist.

Und nun ist dieses Nest beschmutzt worden. Nun bin ich ehrlich traurig und erbost darüber, daß in jenen Momenten, in denen ich diesem Scheiß mal nicht ausgesetzt bin, ein Mann diesen Club betritt und 49 Brüder und Schwestern brutal ermordet. Multipliziert einmal eure Eltern, Familien und Freunde mit der Zahl 103 und ihr bekommt eine Ahnung davon, wie viele Menschen dieser brutale Angriff am Ende beeinflusst hat.
Und nun der Umstand das ich an einem für mich sicheren Ort nun den selben Gedanken habe, der mich manchmal im Cafe, im Flugzeug oder der Bahn ereilt.
Ich bin wütend weil die Medien es zu einem Schwulen- Angriff machen und nicht zu einem Angriff gegen die Menschlichkeit. Das eine Frau Merkel auf ihrer Facebook Seite der Mannschaft gratuliert, aber kein Wort darüber verliert.
Es macht mich wütend, das auf allen Plätzen dieser Welt so viel grausames passiert, womit wir morgen den Hamster- oder Vogelkäfig auslegen. Weil wir es garnicht aushalten würden uns diesen Traumata täglich zu stellen.
Ich kann nicht viel tun. Aber ich kann appellieren. An Euch, meine Freunde, meine Bekannten, dass wir wachsam sind, einander stützen, ehrlich zuhören, uns diesen Kokon erschaffen, den wir gerne auf der Welt hätten. Denn jede Veränderung und sei sie noch so klein, fängt in uns an.
Seht die Schwulen nicht nur als Shopping Begleitung oder die Person, die voller Sarkasmus die Festlichkeiten aus dem Off kommentiert. Seht in uns die Menschen die wir sind.

Ein Mensch der Familie hat, ein Mensch der lacht, liebt, weint, verzweifelt, Fehler macht und auch versucht in diesem Haifischbecken seinen Platz zu ergattern, den er Glück nennt.

Bringt euren Kindern bei, was Liebe wirklich ist. Das Respekt nur der bekommt, der ihn auch gibt. Das sie immer auf den Menschen, nie auf seine Herkunft, sein Geschlecht oder seine Sexualität achten sollen. Und das sie Leben. Denn zwischen all den schrecklichen Dingen, sind kleine Regenbogen versteckt. Und auch, wenn wir die schönen Momente, ohne die grausamen nicht erkennen würden, sollen sie sich immer am Licht orientieren. Und das ist die Liebe.

In diesem Sinne.

Robert


Ruhet in Frieden.