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Dienstag, 19. August 2014

Ein Menschlein

Ich wäre ein guter Vater. Denn ich habe Liebe in mir. Und das Bewusstsein, daß dieses Menschenleben Begleitung und trotzdem Flügel braucht. Das es jeden Tag das Gefühl haben sollte, etwas besonderes zu sein und in jedem von uns ein Talent ist.
Ich möchte mich mit meinem Mann streiten, nach wem es mehr kommt.
Wen er Papa und wen Paps nennt, oder darf einer von uns mit Vornamen angeredet werden?
Ich möchte um die Gunst des Kindes buhlen. Na, wer ist jetzt der gute oder böse Cop?
Ich möchte fördern, ich möchte da sein, wenn der erste Zahn kommt, lachen, wenn die ersten frechen Antworten kommen und meinem Mann klar machen, daß er sich darüber nun wirklich nicht wundern braucht. Unterstützen, wenn der erste Zweifel wach wird. Ich möchte vorlesen, um zu garantieren, daß die Fantasie immer wach bleibt, morgens sollten wir alle gemeinsam Kakao trinken.
Hand in Hand spazieren gehen und die Welt durch seine Augen neu sehen. Mir erklären lassen, warum ein Käfer auf einmal doch was total interessantes ist, obwohl ich nur Ungeziefer sehe.
Drachen steigen lassen, ohne selbst zu wissen, wie das geht. Aber wir haben ja uns. Wir bekommen das schon hin. Hauptsache Wind ist da.
Ich möchte durch Pfützen stapfen und in Regenmänteln die Farbe im Grau sein.
Ich möchte den Winter verarschen indem wir Rodeln gehen und ne Schneeballschlacht machen. Dann merkt er, daß er garnicht so schlimm ist und wir immer Spaß haben.
Ich möchte streiten, ob der Hamster wirklich sein muss, denn wir haben doch schon Katzen. Und der macht auch so viel Lärm, aber ja, Papa sagt, Du darfst ihn haben. Und ratet mal, wer ihn sauber machen wird.
Ich möchte bei den Hausaufgaben helfen um zu merken, daß bei uns in der dritten Klasse nie so schwierige Sachen gelehrt wurden. Wir fragen nachher Papa. Da gehen wir lieber Rollschuhlaufen. Oh, kann ich ja auch nicht. Aber wir haben ja uns. Hauptsache es geht nicht bergab.
Ich möchte Lachanfälle haben, weil nur dieses Kinderlachen nötig ist um mich sofort in Euphorie zu versetzen.
Ich möchte nie Angst haben, ob unserem Kind etwas zugestoßen ist, denn alles was wir lieben, ist in diesem Menschleben.
Ich möchte nie unser Kind betrunken sehen, ich weiß ja, wie ich dabei aussah.
Ich möchte nie vor ihm weinen, weil es mich bei unserem Streit so doll verletzt hat. Scheiß Pubertät.
Ich möchte bei Elternabenden die Augen rollen, weil unser Kind natürlich das klügste und netteste ist, egal was diese Totstudierte Nuss da vorne behauptet. Als wenn die Ahnung hätte.
Ich möchte, daß wir laut klatschend in der ersten Reihe sitzen bei jeder Schulaufführung, auch wenn unser Kind nur den Baum im Hintergrund spielen sollte. Ich möchte verzweifeln, wenn der Dickkopf stärker ist, als unsere Erklärungsversuche.
Ich möchte aufgeregt sein, wenn das erste Date ins Haus steht und die Tränen trocknen, wenn die erste Enttäuschung kommt. Ich möchte beibringen, daß nicht das hinfallen, sondern das aufstehen die wahre Herausforderung ist.
Ich möchte, daß wir gefragt werden, ob es für die Hand unserer Tochter auch unseren Segen gibt.
Ich möchte, daß unser Sohn seinen zukünftigen Schwiegervater fragt.
Ich möchte ihr sagen, daß sie die schönste Braut ist, die ich in meinem Leben gesehen habe und dann hysterisch an der Schulter meines Mannes weinen, weil ich gerne das peinliche Elternteil wäre.
Und unseren Sohn umarmen und sagen das er nun der Mann ist, von dem wir uns immer gewünscht haben, daß er so wird. Er soll sie bloß auf Händen tragen.
Ich möchte feststellen, daß die Wohnung nun leerer ist, nachdem das Lachen ausgezogen ist.
Ich möchte, daß wir zwischendurch nur mal angerufen werden.
Ich möchte Kuchen machen, weil es meine Art ist mich auf die Nachricht bezüglich Enkelkindern vorzubereiten. Als wenn wir es ihr nicht schon längst angesehen hätten.
Ich möchte das wir die Fehler, die wir damals bei ihnen gemacht haben, nun nicht wiederholen und die coolsten Opas sind die es gibt.
Unseren Kindern geben wir immer recht bei der Erziehung, sie suchen ja mal unseren Heimplatz aus.
Ich möchte meinen Mann mit diesem wissenden Lächeln anschauen. Als wären wir in einer Zeitschleife. Wir reden darüber zu Hause, uns hat ja auch keiner geholfen.
Ich möchte nur ein "Danke" hören.
Und ich möchte "Danke" sagen.
Ich möchte, daß ihr da seid, wenn ich gehe.
Ich möchte durch euch weiterleben...


...und dann wache ich auf...

Mittwoch, 13. August 2014

Der leise Schrei nach Leben

Wie sehr muss man das Leben fürchten, um den Tod als Erlösung zu sehen?
Wie sehr muss ich in meinen Ängsten gefangen sein, um die schönen Dinge nicht mehr erkennen zu können?
Robin Williams. Ein Genie seiner Zeit. Und das schreibe ich nicht, weil er sich nun das Leben genommen hat, sondern weil ich um keinen seiner Filme herum gekommen bin. Er hatte stets diese schelmische Ausstrahlung des Mitwissers, guten Onkels, oder auch der perfekten Nanny. Er war einfach ein Magnet. Der Magnet einer Generation, die durch ihn zum Träumen eingeladen wurde.
Umso bestürzender ist es, wie er aus dem Leben schied. Gezeichnet von einer Krankheit, die wir eben nicht einfach heilen können und welche zu einem Synonym unserer Zeit wird. Depression.
In Zeiten von Leistungsdruck und Gefallsucht ist es ein schleichender Prozess, welcher sich durch den Narzissmus unserer Dekade frisst.
Und immer, wenn einer unter diesem Druck zerbricht stehen wir geschockt daneben und fragen nach dem "Warum", denken an uns selbst und unsere Grenzen, welche manchmal erdrückend wie ein Damokles Schwert über uns sind. Und wir sehen den Tatsachen ins Auge. Wir sind Machtlos. Letzten Endes kommen und gehen wir immer allein. Nur das "Dazwischen" können wir wirklich gestalten. Oder es versuchen. Und manchmal fragt man sich unweigerlich, ob man genug getan hat, was noch zu tun wäre, verwirft und beginnt von neuem. Und wie oft misslingen unsere Unternehmungen.
Eine Krankheit, welche wir alle haben, nur jeder anders damit umgeht.
Mein Herz wird schwer bei dem Gedanken, wie viele Menschen krank sind, oder im Sterben liegen, im Krieg leben und alles für einen Tag mehr Leben geben würden.
Doch gibt mir das ein Recht den Freitod zu verurteilen? Nein. Denn es ist eine Entscheidung welche nicht in meinem Ermessen liegt.
Nun geht es wieder los. Wieder werden sich die Medien damit beschäftigen, ob Depressionen als solche in der Gesellschaft angekommen sind. Das sind sie nicht und ich glaube das werden sie nie. Wir sind eine Leistungsorientierte Gesellschaft, welche immer dazu neigt, schwächere auszublenden. Leider haben wir immer noch nicht erkannt, daß wir nur so stark sind, wie das schwächste Glied.
Wie oft beschweren wir uns über Menschen in unserem Freundeskreis, welche immer jammern, oder bei zu viel Alkohol den Tränen freien lauf lassen? Dabei könnten sie die Menschen sein, welche gefangen sind in einer Depression, nur selbst noch weit davon entfernt sind, es zu wissen. Jedes Gesellschaftliche Problem findet auch in unserem kleinen Kosmos statt.
Und solange wir Menschen erziehen wollen mit:
"Jetzt hab Dich nicht so."
"Das wird schon!"
"Ein Indianer kennt keinen Schmerz."
"Was uns nicht umbringt macht uns härter."
werden wir weit davon entfernt sein, wirklich zu lernen.
Wie viele haben sich selbst schon das Leben genommen, weil sie eben nicht härter wurden, sondern einfach ganz leise zerbrachen?
Die Seele knackt nicht, wenn sie kaputt ist. Sie tut nicht so offensichtlich weh, daß wir auf dem schnellsten Wege einen Arzt konsultieren könnten und er das schon wieder heile macht.
Es ist ein schleichender Prozess, welcher mit Isolation und Selbstzweifeln einhergeht. Und oft sind es jene Betroffenen selbst, welche sich nicht verstehen und Angst haben, was dort in ihnen vor sich geht.
Wir müssen lernen. Viel lernen. Eine Schwäche anzuerkennen, weil ich sie sehe, ist Zynismus. 
Wenn ich an den Robert vor 10 Jahren denke, sehe ich einen anderen, nicht so starken Menschen vor mir, welcher oft seine Freunde brauchte, um aus den Ausweglosigkeiten des Lebens zu finden.
Rückblickend würde ich sagen, ich bin der Depression entwachsen. Und ich hänge zu sehr an diesem Leben, um mich davon auffressen zu lassen. Aber es hätte eben auch anders kommen können.
Ich bin ein Moralapostel, ich weiß.
Aber ich habe eines gelernt, was ich heute noch täglich versuchen muss zu leben.
Jeder hat sein eigenes Schmerzempfinden. Ich muss nicht alles verstehen können, aber ich sollte es einfach stehen lassen und nicht glauben, andere mit meiner Meinung beeinflussen zu können.
Warum also dieser Blog?
Aufhören zu kritisieren, was wir eigentlich nur nicht verstehen.
Aufhorchen, wenn wir glauben, daß jemand selbst nicht mehr aufstehen kann.
Hilfe anbieten, aber nicht mehr der Hobbytherapeut sein, denn in diesen Fällen, machen wir es oft schlimmer als angenehmer.
Und am wichtigsten ist es niemanden zu verurteilen, der es nicht schafft.

Ich widme diesen Blog Robin Williams, Robert Enke und all jenen, die durch ihr plötzliches Ableben auf die traurigste Art und Weise auf diese Krankheit aufmerksam machen.

Manchmal sind es die leisen Töne, welche eigentlich am lautesten sind.